27. Juli 2005
Quelle: World Tibet Network News


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Die Bedrohung durch China

von Warren D. Smith

(Warren D. Smith ist Historiker und Verfasser des Buches "Tibetan Nation: A History of Tibetan Nationalism and Sino-Tibetan Relations". Er schrieb zahlreiche Artikel zur Geschichte und Politik Tibets. Seinen Doktortitel erwarb er bei der Fletcher School of Law and Diplomacy. Außerdem ist er Mitarbeiter von Radio Free Asia.)

Die vom Staat kontrollierten Medien haben in China in letzter Zeit das herunterzuspielen versucht, was sie als den Versuch anderer Länder, insbesondere der USA, bezeichnen, eine Theorie aufzustellen, die China als eine Gefahr für die Welt darstellt. Diese Theorie basiert auf der Annahme, daß Chinas Aufstieg zu wirtschaftlicher, politischer und militärischer Macht eine Bedrohung für die Welt bedeute. Chinesische Regierungssprecher, Akademiker und Medien argumentieren, daß diese Bedrohungstheorie nur ganz einfach ein Versuch sei, gegen China anzugehen und seinen Aufstieg zu bremsen. Sie behaupten, dieser Aufstieg zur Wirtschaftsmacht sei ganz natürlich und eine zwangsläufige Entwicklung, er stelle keine Bedrohung für andere Länder dar und man solle ihn als etwas betrachten, das der Welt Gewinn und keinen Schaden bringe. Sie behaupten, die Hauptverfechter dieser Bedrohungstheorie seien die USA, weil sie befürchteten, daß China, was ihren Einfluß in Asien und der Welt angeht, zu ihrem Rivalen werden könnte.

Die Sprecher der Regierung, Wissenschaftler und Medien in China geben vor, sich objektiv und leidenschaftslos mit dieser Theorie zu befassen, als ob es sich bei ihr um ein seltsames Phänomen handle, das jeder Grundlage entbehrt. Allerdings weckt ein so häufiges Abstreiten unweigerlich gerade den Verdacht, daß diese Bedrohung doch einen gewissen Realitätsgehalt habe. Dieser Verdacht erhärtet sich noch, wenn man sich Deng Xiaopings Aussage vergegenwärtigt, China solle vorerst nicht die Konfrontation mit anderen Staaten suchen und in Ruhe abwarten, bis das Land stark genug ist, alles zu erreichen, was es anstrebt.

Diese konstante Verharmlosung der chinesischen Bedrohung ist offenbar Teil einer genau kalkulierten Taktik und nicht bloß ein Kuriosum ohne reale Basis. Die ständige Wiederholung von Slogans und Phrasen, wie der Behauptung, China sei ein Rechtsstaat, ist typisch für die chinesische Propaganda und ruft Mißtrauen hervor. Die dauernde Wiederholung dieser Behauptung dient nur dazu, die Tatsache zu betonen, daß China ein Land ist, in dem nicht das Recht, sondern die Kommunistische Partei herrscht. Ebenso erinnert die ständig wiederholte Phrase von der “friedlichen Befreiung Tibets” die Welt nur daran, daß die Besetzung Tibets weder eine Befreiung, noch daß sie friedlich war. Auch Chinas konstante Charakterisierung seiner wirtschaftlichen Entwicklung als friedlicher Aufstieg läßt befürchten, daß dieser Aufstieg alles andere als friedlich ist.

China behauptet, die Amerikaner hätten übertriebene Vorstellungen von seiner militärischen Stärke. China weist auch die Beschuldigung zurück, es habe zum Zweck der Industrie- und Militärspionage Tausende von Spionen in andere Länder geschickt. Es behauptet, die USA fühlten sich durch seinen Aufstieg gefährdet und benutzten deshalb die Bedrohungstheorie, um China im Zaum zu halten. China wirft den Vereinigten Staaten vor, sie versuchten, unter dem Vorwand der vermeintlichen Bedrohung mit Hilfe dieser Theorie eine gegen es gerichtete Allianz mit Japan aufzubauen, es bezichtigt sie, Taiwan nur deshalb militärisch zu unterstützten, weil sie die Wiedervereinigung Chinas verhindern wollten. Außerdem würden die Vereinigten Staaten die Bedrohungstheorie zur Beeinflussung der EU benutzen, damit diese ihr Waffenembargo gegen China beibehalte. Weiter lastet China den USA an, sie hätten diese Theorie nur erfunden, weil sie einen imaginären Feind brauchten, um so ihre universalen Hegemonialansprüche rechtfertigen zu können.

Den chinesischen Aussagen zufolge dient die Modernisierung des Militärs lediglich der Verteidigung; China stelle keinerlei Bedrohung für irgendein Land auf der Welt dar – auch nicht für die Vereinigten Staaten. Allerdings schließt das, was China als sein Territorium ansieht, unglücklicherweise auch Taiwan ein, dessen Bürger keineswegs der Auffassung sind, sie sollten von Peking regiert werden. So lange Taiwan selbständig bleibt und von den Vereinigten Staaten unterstützt wird, sind militärische Zusammenstöße zwischen China und Taiwan bzw. China und den USA sehr wohl denkbar. Ein weiterer möglicher Grund für Konflikte zwischen den USA und China ist ihre Konkurrenz auf dem Energiemarkt. Dennoch ist der wichtigste Aspekt der chinesischen Bedrohung nicht der militärische, sondern der politische und ideologische.

Die Hauptgefahr, die von China ausgeht, ist die Tatsache, daß dieser Staat, statt sich selbst den internationalen Gepflogenheiten anzupassen, versucht, diese nach seinem eigenen Gutdünken zu verändern. Das politische System Chinas ist immer noch durch die autoritäre Herrschaft einer Einheitspartei gekennzeichnet, ebenso durch mangelnde Rechtsstaatlichkeit, Mißachtung der Menschenrechte und weitverbreitete Korruption bei Parteikadern, was wiederum aus deren Machtmonopol resultiert. Die derzeitige internationale Politik Chinas besteht eher darin, diese Charakteristika zu exportieren, anstatt das weltweit existierende System so zu akzeptieren, wie es ist. Um die Kritik der UN-Menschenrechtskommission an seiner negativen Menschenrechtspraxis auszuhebeln, hat China anderen die Menschenrechte verletzenden Ländern einen Sitz in dem Komitee verschafft, ohne sich jedoch um die Verbesserung der Menschenrechtslage im eigenen Land zu bemühen. Auf Grund seiner Nichtbeachtung der Rechte an geistigem Eigentum stellt China eine Gefahr für das internationale Urheberrechtssystem dar. Die chinesische Regierung ist am Diebstahl von Industriegeheimnissen und der Nachahmung von ausländischen Produkten beteiligt. Statt chinesischen Bürgern, die sich in andere Länder begeben, den Genuß der dort geltenden Freiheiten zuzubilligen, werden diese ausspioniert und eingeschüchtert. Erst kürzlich kam ans Licht, daß China probierte, Falun Gong Anhänger und Tibet-Aktivisten in Australien auszuspionieren und unter Druck zu setzen. Wie verlautet, versuchen in zahlreichen Ländern chinesische Offizielle und Agenten auf jede nur mögliche Weise, Kritik an ihrer Regierung zu verhindern.

Allen Bemühungen Chinas, die Bedrohung zu bagatellisieren, zum Trotz bildet dieses Land in der Tat eine Gefahr für die Welt. Mit seiner Weigerung Taiwan seine Freiheit zuzugestehen, könnte es sogar einen Weltkrieg verursachen. Solange in China die Kommunistische Partei regiert, wird es bestimmt immer wieder versuchen, sein System der Repression und Kontrolle allen seinen Kritikern aufzuzwingen. Was für eine Bedrohung China für die Welt darstellt, hängt letzten Endes von den Chinesen selbst ab. Gerade wegen der Natur seines politischen Systems und des Versuchs, dieses der Welt aufzuzwingen, bildet ein von der Kommunistischen Partei regiertes China ohne jeden Zweifel eine ideologische und politische Gefahr für die Welt. Wie hoch dieses Risiko für die Welt ist, kann noch nicht abgeschätzt werden, aber die Welt sollte sich besser nicht von Chinas Dementis bezüglich der Bedrohungstheorie einlullen lassen.